08. März

Internationaler Frauentag, Welttag der Gleichberechtigung, Feministischer Kampftag

Lesedauer 19 min

„Frei sein wollen bedeutet, dass auch die anderen frei sind.“ – Simone De Beauvoir

Am 8. März werden auf der ganzen Welt die Errungenschaften und Fortschritte in der Frauenrechtsbewegung gefeiert und gewürdigt. Aber nicht nur das, denn oftmals wird auch vom feministischen Kampftag gesprochen. Der Name verrät bereits: Wir sind noch lange nicht da, wo wir gerne wären, beziehungsweise wo von einer Gleichstellung ALLER Geschlechter gesprochen werden kann.

Der Weltfrauentag regt dazu an allgemeingültige und vermeintliche Normen zu hinterfragen und setzt sich deshalb für die Rechte von FLINTA*s* auf der ganzen Welt ein.

Selbst wenn wir nicht die gesamte Bandbreite der Debatte abbilden können, wollen wir mit diesem Blogbeitrag Denkanstöße geben und einige Fakten benennen.

 

Was bedeutet Feminismus und was bedeutet Feminismus nicht

Der 8. März lenkt unseren Fokus gebündelt auf eine Vielzahl feministischer Themen. Warum ist Feminismus aber an jedem Tag im Jahr so unfassbar wichtig? Viele verbinden mit dem Wort „Feminismus“ die Weltherrschaft der Frauen – nicht, dass wir diese ablehnen würden – aber primär geht es um etwas ganz anderes. Denn lassen wir den Spaß beiseite und beleuchten einige gesellschaftliche Faktoren, fällt auf: Wir leben nach wie vor in einer vom Patriarchat (männliche Vorherrschaft) geprägten Gesellschaft.

In Zahlen zeigt sich das wie folgt:

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Gender Pay Gap Deutschland 2023: Frauen verdienten pro Stunde 18% weniger als Männer.
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2 von 3 Protagonist/innen im TV sind männlich. Spezial Expertise/TV-Information wird zu 79% von Männern übernommen.
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Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung in Deutschland 2022: 57.376 Opfer, davon sind knapp 77% weiblich (44.044 weiblich und 13.332 männlich).
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Opfer von gefährlicher Körperverletzung in Deutschland 2022: 28.589 Opfer, davon sind knapp 61% weiblich (17.312 weiblich und 11.277 männlich).
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Jeden dritten Tag geschieht in Deutschland ein Femizid (Tötung von Frauen und Mädchen auf Grund ihres Geschlechts), alle 11 Minuten weltweit!
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2024, Aktueller Bericht der Weltbank: Kein Land bietet Frauen gleiche Chancen wie Männern. Sie haben nur 64% der Rechte, die Männer haben.

Feminismus bedeutet also Gleichberechtigung und nicht einen Machtkampf zwischen Frauen und Männern. Wer pro Mensch ist, wer überzeugt davon ist, dass Menschen unabhängig ihres Geschlechts die gleichen Rechte haben sollten, der- oder diejenige ist auch Feminist/in.

Wer also immer noch denkt, Feminismus bedeutet, dass alle Frauen arbeiten gehen und alle Männer in Elternzeit bleiben – NEIN: Feminismus setzt sich dafür ein, dass Entscheidungen wie diese, unterstützt durch politische und damit finanzielle Rahmenbedingungen, frei entschieden werden können. Der Gender Pay Gap zeigt: Vielen heterosexuellen Paaren wird bereits durch die finanziellen Ungleichheiten diese Entscheidung abgenommen. Dadurch zwängt man beide Seiten in eine soziale und kulturelle Norm, in der individuelle Bedürfnisse außen vor gelassen werden. Die Hürden, denen sich beispielsweise ein lesbisches Elternpaar stellen muss, nehmen wiederum eine ganz andere Dimension an. Das führt uns zum nächsten Punkt.

Die Grundlage für ganzheitlich gedachten Feminismus ist Intersektionalität

Intersektionaler Feminismus setzt sich für eine gerechtere Zukunft für ALLE Menschen ein. Geprägt wurde der Begriff von der Juristin und Aktivistin Kimberlé Crenshaw. Sie machte darauf aufmerksam, dass Diskriminierungsformen nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Die Lebensrealitäten von Menschen unterscheiden sich auf Grund mehrerer Faktoren und leider auch auf Grund mehrerer, sich überschneidender Diskriminierungsformen. Beispiele für Diskriminierung sind: Rassismus, Ableismus (Diskriminierung von Menschen auf Grund von geistigen und/oder körperlichen Behinderungen oder chronischen Erkrankungen) oder Klassismus (Diskriminierung auf Grund der sozialen Klasse). Konkrete Beispiele können deshalb wie folgt aussehen: Eine weiße, an der Armutsgrenze lebende Frau macht andere Diskriminierungserfahrungen als eine schwarze Frau im Rollstuhl. Beide machen aber wiederum andere Diskriminierungserfahrungen als ein junges Mädchen im Iran oder eine lesbische Frau in Bosnien. Wie du siehst, könnte man eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensrealitäten aufzeigen. Nun ist es wichtig zu verstehen, dass erst wenn all diese Lebensrealitäten in die Debatte einbezogen werden, von einem ganzheitlichen Feminismus gesprochen werden kann. Erst wenn nicht ausschließlich für die Rechte einer einzigen Personengruppe gekämpft wird (wie zum Beispiel beim weißen Feminismus der Fall), sondern für alle, kämpfen wir für eine gerechte Zukunft. Sich gegenseitig zuzuhören und über den Tellerrand hinauszuschauen, ist also eine der wichtigsten Grundlagen.

Misogynie

Das Patriarchat zeigt sich manchmal ganz offensichtlich und andere Male eher subtil – fast schon so, als würde man mit der Lupe danach suchen. Wenn man die Suche aber erstmal begonnen hat, dann findet sich ein riesiges kleinteiliges Gerüst, das sich durch unsere Gesellschaft zieht, um das Machtgefälle aufrecht zu erhalten.

Misogynes Verhalten beschreibt frauenfeindliche Verhaltensformen. Und da wir von einem Gerüst sprechen, das wirklich alle Lebensbereiche und soziale Schichten beeinflusst, wird Misogynie** nicht nur von Männern reproduziert. Denn häufig ist sie internalisiert und anerzogen und wird unabhängig vom Geschlecht aufrechterhalten.

Da wäre beispielsweise die Medienwelt, die uns oft das Gefühl gibt, es kann nur eine einzige Frau die Hauptrolle ergattern und so in den Fokus von Zuschauern und Zuschauerinnen rücken. Karolin Kebekus nennt in ihrem Buch „Es kann nur eine geben“ auf humorvolle Art und Weise spannende und zugleich Augen öffnende Beispiele: Hast du schonmal über die Vielzahl der super individuellen Charaktere der Schlümpfe nachgedacht und wie es im Gegenzug dazu nur eine einzige weibliche Schlumpfine gibt, die sich nicht mal durch einen besonderen Charakterzug, sondern einfach nur durch ihre Weiblichkeit auszeichnet? (Übrigens akzeptiert meine Autokorrektur während des Schreibens das Wort „Schlümpfe“ ohne zu meckern, während „Schlumpfine“ rot aufleuchtet – da haben wir es also, nicht mal die Autokorrektur kann sich an sie erinnern!). Es geht also nicht nur um die Quantität, sondern auch darum, wie FLINTA*s in den Medien repräsentiert werden. Denn was wir täglich konsumieren, prägt unsere Weltanschauung.

Die Objektifizierung von FLINTA*s ist ein kulturelles Phänomen, das nicht nur die Schlümpf/innen innehalten. Nicht ohne Grund richtet sich die Body Positivity*** und Me Too**** – Bewegung hauptsächlich an weibliche Personen. Während Männer meist als individuelle Persönlichkeiten gesehen und dargestellt werden, passiert es bei Frauen nicht selten, dass eher ihre körperlichen Merkmale in den Vordergrund rücken. Diese Reduzierung auf das äußere Erscheinungsbild zeigt sich über die sexualisierte Darstellung von Frauenkörpern in den Medien, Alltagssexismus in der Sprache bis hin zu sexueller Belästigung. Die Beispiele hierfür gehen ins Unendliche. Hier sind aber einige Fragen, die dir eventuell auch nochmal aus persönlicher Sicht den Konflikt spiegeln.

Achte doch mal darauf, wie oft du Werbekampagnen mit unnötiger weiblicher Nacktheit siehst. (Beispiel: Warum wirbt ein Getränkehersteller mit einer Frau im Bikini? Welcher Bezug besteht hier zum Produkt?)

Wie oft kannst du beobachten, dass Frauen in den Medien oder im beruflichen Alltag mit Bemerkungen über ihr Aussehen konfrontiert oder mit Hilfe dessen beschrieben werden? (Berufliche Erfolge oder fachliche Themen werden dadurch in den Hintergrund verlagert.)

Wie oft rückt die familiäre Situation von Politikerinnen in den Fokus der Öffentlichkeit, im Vergleich zu Politikern? 

Hast du bereits von Fällen sexualisierter Gewalt gehört, bei denen die Schuld dem Opfer direkt oder indirekt zugeschoben wurde? 

Wie oft erlebst du, dass Frauen mehr Care-Arbeit (unbezahlte Arbeit) übernehmen, beziehungsweise erwartet wird, dass sie diese übernehmen? (Beispiel: Bei einer Familienfeier stehen automatisch alle Frauen zum Tisch abräumen auf, während die Männer wie selbstverständlich sitzen bleiben.) 

Für die weiblichen Leserinnen (alle anderen aber bitte trotzdem weiter lesen, vielleicht ertappt ihr euch ja selbst): Wie oft wurdet ihr bereits „versehentlich“ in der Bahn berührt, an der Taille weg geschoben (statt freundlich darauf hingewiesen zu werden, dass jemand hinter euch durch möchte), vorsätzlich begrapscht und/oder gecatcalled*****?

Wie sieht es eigentlich in den Chefetagen aus? Fast die Hälfte aller Erwerbstätigen in der EU im Jahr 2022 stellten Frauen dar. Allerdings war nur rund jede dritte Führungsposition von einer weiblich gelesenen Person besetzt. Deutschland schneidet in der Statistik sogar besonders schlecht ab: Nur 28,9 % der Führungskräfte waren 2022 weiblich.

Während Männer sich also vielschichtig repräsentiert fühlen und es nahezu überall genug Platz für sie gibt, fällt dies bei Frauen deutlich knapper aus. Das erklärt, warum Frauen häufig das Vorurteil voraus eilt, eher eifersüchtig zu sein oder gar „zickig“. Einer der vielen Begriffe, die wir gerne aus unserem Vokabular streichen dürfen. Frauen als anstrengend darzustellen, ist nur ein weiteres Mittel, das zum Fortbestand des Patriarchats beiträgt. Viel mehr Sinn macht es, die Strukturen immer weiter aufzudecken, die Komplexität dahinter zu verstehen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Denn genauso wichtig wie die Emanzipation und damit Individualisierung von Frauen und FLINTA*s weltweit, sind auch Zusammenhalt und gegenseitige Solidarität von enorm großer Bedeutung.

* FLINTA*: Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das Sternchen inkludiert weitere Geschlechtervielfalt.

**Misogynie: Abwertung und Unterordnung des weiblichen Geschlechts

***Body-Positivity: Selbstakzeptanz und die Anerkennung einer Vielfalt an Körperformen

****Me-Too-Bewegung: Frauen auf der ganzen Welt teilen über den Hashtag #MeToo ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen.

*****Catcalling: Verbale Belästigung durch Pfeifen, Gesten, anzügliche Kommentare etc.